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«Man müsste Zeitreisender sein!»

10 März 2020 08:00

Im Mai 2020 erscheint das Jubiläumsbuch «120 Jahre Pferdesport Schweiz». In dieser umfangreichen Chronik werden bisher teils unveröffentlichte Fotos aus Privatarchiven, spannende Hintergrundtexte zur Schweizer Pferdesportgeschichte und überraschende Anekdoten aufwendig gestaltet und für die Ewigkeit überliefert. Dieses Mammutprojekt wurde von Beginn weg von Nadine Niklaus, Kommunikationsverantwortliche auf der SVPS-Geschäftsstelle, geleitet. Was mit einem leeren weissen Blatt begann, wurde zu einer fabelhaften Reise durch die Pferdesportgeschichte, auf deren Weg unerwartete Schätze auftauchten und wunderbare Freundschaften entstanden.

Die fein säuberlich angelegten Fotoalben von Ernst Alfred Sarasin waren eine wertvolle Quelle für das Jubiläumsbuch. (Foto: SVPS) Die fein säuberlich angelegten Fotoalben von Ernst Alfred Sarasin waren eine wertvolle Quelle für das Jubiläumsbuch. (Foto: SVPS)

Bulletin: Das Jubiläumsbuch des SVPS ist in jeder Beziehung ein tolles Werk! Wie kam es zu diesem Projekt?

Nadine Niklaus: Im Hinblick auf das Jubiläumsjahr stand schon länger das Thema im Raum, dass keine ausführliche Verbandschronik des SVPS vorhanden war. Aber wo sollte man anfangen, und wer würde eine solche Chronik schreiben? Durch einen Kontakt der SVPS-Geschäftsführerin
Sandra Wiedmer mit dem Sohn von
Max E. Ammann hatten wir das Glück, diesen für unser Projekt gewinnen zu können. Max ist eine wahre Legende und ein wandelndes Lexikon des Pferdesports. Er hatte früher schon Bücher über die Geschichte der Schweizer Kavallerie und die Geschichte des Reitsports sowie Chroniken über die FEI-Championate und den Pferdesport bei Olympischen Spielen verfasst. Einen besseren Autor hätten wir nicht finden können!

Zunächst war die Idee, dass auch Georges Zehnder, der Mitbegründer und langjährige Chefredaktor der «Pferde Woche», und Alban Poudret, der Chefredaktor der Westschweizer Pferdezeitschrift «Cavalier Romand», als Co-Autoren fungieren würden, aber beide mussten mangels Zeit abwinken. Dennoch war ihre Unterstützung genauso wie jene von Thomas Frei, dem ehemaligen Chefredaktor vom «Kavallo», und Sascha Dubach, dem Chefredaktor der «Pferde Woche», von unschätzbarem Wert bei der Suche nach Bildern und Informationen. Ausserdem fanden wir Autoren wie Elisabeth Weiland und andere für das Verfassen von spannenden Kurzartikeln.

Nadine Niklaus und Max E. Ammann bei der Sichtung von Material für das Jubiläumsbuch im FEI-Archiv. (Foto: SVPS) Nadine Niklaus und Max E. Ammann bei der Sichtung von Material für das Jubiläumsbuch im FEI-Archiv. (Foto: SVPS)

Hatte Max E. Ammann freie Hand als Autor?

Max ist eine absolut faszinierende Persönlichkeit, und er hat mich bei dieser Zusammenarbeit immer wieder überrascht mit seinem Wissen, seinem Humor und seinem unvergleichlichen Gedächtnis. Aber natürlich mussten wir dem Buch zunächst einen Rahmen geben. An einer Sitzung in Bern mit Sandra Wiedmer, SVPS-Präsident Charles Trolliet, Max und mir beschlossen wir basierend auf einem Vorschlag von Max, das Buch in die folgenden vier Teile zu gliedern: Militär, Verband, Sport national und Sport international. Diese etwas grösseren Texte sollten mit verschiedenen Kurztexten von Gastautoren aufgelockert werden, beispielsweise zur Pferdezucht oder zu den Amazonen in der Schweiz und mit Kurzbiografien von Persönlichkeiten, die den Schweizer Pferdesport geprägt haben.

Ein grosser Bestandteil des Buches sollten aber die Bilder sein, um ein eigentliches Fotoalbum der Schweizer Pferdesportgeschichte der letzten 120 Jahre zu schaffen.

Max hat also den allergrössten Teil der Texte geschrieben. Wir beiden haben aber oft miteinander besprochen, was in das Buch aufgenommen werden sollte und was nicht. Ausserdem wurden die Texte alle von Fachleuten der entsprechenden Themenbereiche gegengelesen.

Mit Max E. Ammann (links) zu Besuch bei William de Rham, um Material für das Buch zu sammeln. (Foto: SVPS) Mit Max E. Ammann (links) zu Besuch bei William de Rham, um Material für das Buch zu sammeln. (Foto: SVPS)

War dieses umfangreiche Bildmaterial denn schon vorhanden?

Wir hatten das Glück, dass wir das immense Fotoarchiv des verstorbenen Berner Pferdesportfotografen Roland von Siebenthal im Sommer 2016 übernehmen konnten. Dieses musste aber erst gesichtet werden, um die für das Buch relevanten Bilder zu bestimmen. Ich habe Stunden damit zugebracht, im Archiv in die faszinierende Welt dieses Fotokünstlers einzutauchen! Gerne hätte ich ihn nach der Geschichte hinter dem einen oder anderen Bild befragt …

Ausserdem haben uns viele Menschen, die selbst Legenden des Schweizer Pferdesports sind, die Tore zu ihren Privatarchiven geöffnet. Die in vielerlei Hinsicht wohl eindrücklichste Begegnung war der Besuch beim 97-jährigen William de Rham, einem ehemaligen Schweizer Olympiareiter und heute noch grossen Mäzen des Pferdesports. Er bereitete uns einen tollen Empfang in seiner Villa am Genfersee, zeigte uns seine Sammlung von Erinnerungsstücken und führte uns über seine Anlage, wo noch immer jedes Jahr Vielseitigkeitsturniere ausgetragen werden. Die tollkühne Autofahrt hinter Herrn de Rham her über den Geländeparcours werde ich wohl nie vergessen!

Aber auch andere Schweizer Pferdesportpersönlichkeiten wie Ueli Lehmann, Ruedi Günthardt, René Pezold, Elisabeth Weiland, Paul Weier und viele andere mehr haben mit ihren privaten Erinnerungsstücken ganz entscheidend dazu beigetragen, dem Buch seinen einmaligen Charakter zu geben.

Nicht zuletzt hatten wir das grosse Glück, dass das Privatarchiv von Max E. Ammann, das er vor Jahren der FEI überlassen hatte, heute in Lausanne hervorragend konserviert und aufbewahrt wird. Auch dort sind wundervolle Schätze zum Vorschein gekommen, beispielsweise die liebevoll gestalteten Fotoalben von Ernst Alfred Sarasin oder von Charles Kuhn.

Es war schon sehr berührend, so viel Goodwill von den Leuten zu erfahren. Gerade auch dann, wenn man spürte, dass bei manchen eine gewisse Abneigung oder Vorsicht gegenüber dem Verband vorhanden war, die wohl in der Vergangenheit gründete. Umso schöner war es, bei diesen Menschen wieder eine Flamme zu entfachen, weil der Verband sich für sie und ihre Geschichte interessiert.

Nadine Niklaus sortiert das umfangreiche Bildarchiv von Roland von Siebenthal. (Foto: SVPS) Nadine Niklaus sortiert das umfangreiche Bildarchiv von Roland von Siebenthal. (Foto: SVPS)

Da steckt auf jeden Fall sehr viel Herzblut in diesem Projekt. Das Buch beleuchtet aber nicht nur die Vergangenheit?

Nein, das Buch reicht inhaltlich bis in die Gegenwart. Es war allen Beteiligten wichtig, einen Bogen bis ins Heute zu schlagen. Wir wollten keine verstaubte Chronik für Historiker schreiben, sondern einen Bildband zum Schwelgen für jeden Pferdeliebhaber.

So sollte auch die Gestaltung des Buchs modern und leserfreundlich daherkommen. Mit Andrea Heimgartner von der Zürcher Werbeagentur «Binkert Partnerinnen» konnten wir eine Layouterin gewinnen, deren Leidenschaft gleichermassen der Grafik und den Pferden gilt. Es war eine Herausforderung, dass das Buch aufgrund der alten Fotos nicht altmodisch wirkt. Deshalb wurde eine moderne Schrift gewählt und ein Layout, das den tollen Bildern Rechnung trägt.

Wir alle, die in die Entstehung dieses Buchs involviert waren, wurden von einem Fieber für die Geschichte des Pferdesports ergriffen, einer Faszination für das Gestern, um das Heute besser zu verstehen und mit anderen Augen zu sehen. Die Persönlichkeiten, die im Buch Erwähnung finden, waren auf ihre Art und Weise alle Vorkämpfer für etwas, was wir heute im Pferdesport als selbstverständlich ansehen. Sei es der Pferdetransport mit Lastwagen und Flugzeug statt mit dem Zug oder das Recht der Frauen, wie Männer im Sattel zu sitzen statt im Damensattel. Dieses «Wir-Gefühl» aufgrund der Tatsache, dass wir Pferdsportbegeisterten alle dieselben Wurzeln haben, das möchten wir mit diesem Buch vermitteln.

Es gäbe noch so viel zu erzählen, das im Buch nicht berücksichtig werden konnte. Und wenn man die Bilder so betrachtet und die Texte so liest, möchte man manchmal Zeitreisender sein, um ein Stück Pferdesportgeschichte selbst erleben zu können.

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

Die Werbeagentur Binkert Partnerinnen mitten im Kreativprozess für die Gestaltung des Jubiläumsbuches. (Foto: Binkert Partnerinnen) Die Werbeagentur Binkert Partnerinnen mitten im Kreativprozess für die Gestaltung des Jubiläumsbuches. (Foto: Binkert Partnerinnen)

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